In einem Interview mit der Zeitung „Die Welt„, das seit dem 24.12.2007 online ist, wurde Jacques Rogge, amtierender Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), u.a. gefragt, ob die Sportarten der Olympischen Spiele noch zeitgemäß seien. In seiner Antwort erwähnt er, dass von 1988 bis 2000 sieben (vermutlich „zeitgemäße“) Sportarten im Olympischen Programm aufgenommen wurden, aber keine aussortiert. Das jetzige System der Spiele würde es erlauben, noch zwei weitere Sportarten aufzunehmen, doch müsse man die nachhaltige Entwicklung solcher Sportarten überprüfen. Und dann fällt der Satz, vermutlich als Beispiel für eine Sportart mit nicht-nachhaltiger Entwicklung gedacht:
Als ich jung war, kam Frisbee ganz groß in Mode. Aber ebenso schnell war es wieder weg.
Jacques Rogge ist nach allem, was ich über ihn weiß und erlebt habe, nicht der abgehobene Funktionär, der keine Ahnung mehr hat, was in der Welt des Sports passiert. Ich versuche daher nachzuvollziehen, wie er zu dieser Einschätzung kommt.
Rogge ist 1942 geboren. Er hat für die belgische Rugby-Nationalmannschaft gespielt und in den Jahren 1968, 1972 und 1976 als Segler an Olympischen Spielen teilgenommen. Ende der Sechziger Jahre wird in den USA die International Frisbee-disc Association (IFA) gegründet, die in den Siebzigern nach Aussage des Gründers Ed Headrick bis zu 112 000 Mitglieder hatte. Headrick war es auch, der mit Werbegeldern des Scheibenherstellers Wham-O das Stadion Rose Bowl in Pasadena, Kalifornien, mietete, um dort zunächst Werbefilme für die Frisbeescheibe und später die ersten Frisbee-Weltmeisterschaften (WFC) auszurichten. Diese WFCs zogen in den Siebzigern nach offiziellen Angaben bis zu 50 000 Zuschauer an. Das müsste in etwa die Zeit sein, in der Rogge sich als „jung“ sah (er war damals Mitte 30) und der Frisbeesport häufig in den Medien präsent war.
Ich bewerte diesen Boom der Siebziger aber anders als Rogge. Denn er war stark subventioniert, ja sogar angeschoben, durch die Firma Wham-O, die durch Marketing-Maßnahmen höhere Absätze erzielen wollte. Die International Frisbee-disc Association sollte dem Sport eine unabhängige Legitimation geben, war aber nicht vergleichbar mit eingetragenen Verbänden wie heute z. B. der WFDF. Auf Dauer kann solch ein durch die Medien angefachter Hype nicht anhalten und als Wham-O sich zurückzog, schwand auch die Präsenz des Sports.
Seit den Achtzigern, als viele nationale Verbände und in 1984 der WFDF gegründet wurde, befindet sich die Entwicklung des Frisbeesports fast ausschließlich in der Hand von Aktiven. Ohne die Werbegelder großer Firmen dauert es natürlich länger, bis der Sport wieder regelmäßige Präsenz in den Medien findet. In den Neunzigern wurde die Aufnahme des WFDF beim Dachverband der internationalen Sportverbände GAISF erreicht und kurz darauf beim Verband der World Games IWGA.
In 2005 bekam Jacques Rogge anlässlich der Eröffnungsfeier zu den World Games in Duisburg vom DFV-Präsidenten Dr. Volker Schlechter die offizielle Spielscheibe dieser World Games überreicht. Wie mir kolportiert wurde, soll seine Frau die Scheibe begeistert an sich genommen haben. Bei Herrn Rogge aber muss der WFDF offensichtlich noch weitere Lobby-Arbeit aufwenden.